Gibt es überhaupt sinnvolle und unsinnige Versicherungen?


Vorletzte Woche veröffentlichte unsere regionale Tageszeitung im Rahmen eines ganzseitigen Artikels eine Liste von sinnvollen und unsinnigen Versicherungen. Dort wurde von "Experten" geschildert, welche Versicherungen "man" benötigt und welche überflüssig sind. Solche generalisierenden Artikel sind gern geschrieben und werden auch gerne gelesen - schließlich freut sich so gut wie jeder, wenn man eine einfache Lösung für ein komplexes Problem präsentiert bekommt.

Die Sache hat nur einen Haken: Eine Aufteilung in sinnvolle und überflüssige Versicherungen kann nur ein einziger Mensch treffen - und zwar du selbst für dich und deine Situation.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte: Es gibt deswegen gar keine unsinnigen Versicherungen. (Im Gegensatz dazu gibt es allerdings unsinnige Zeitungsartikel, die lieber in der Druckerpresse geblieben wären ;) ).


Erstens: Der Bedarf des Kunden ist entscheidend - nicht die Einzelmeinung eines "Experten"

Ob eine Versicherung sinnvoll oder unnötig ist, kann jeder Kunde nur individuell für sich entscheiden. 

Es gibt schließlich die unterschiedlichsten Typen von Menschen - von ganz sicherheitsorientierten bis zu den hochrisiko-freudigen. Und das schlägt sich natürlich in der eigenen Einschätzungen nieder, welche Versicherungen man für sinnvoll oder überflüssig hält.

Eine kurze Geschichte zum Thema Risikotyp: Letzte Woche kam ein junges Pärchen in unsere Agentur, die eine Wohngebäudeversicherung für ihr frisch erworbenes Objekt suchten. Es war bis zur Übertragung des Hauses auf sie versichert - dann hatten die beiden aber erstmal vorsorglich gekündigt, damit der Makler ihnen ein bessere Angebot unterbreitet. Soweit so gut.

Daß eine Wohngebäudeversicherung für ein eben finanziertes Objekt sinnvoll ist, dürfte praktisch jeder bejahen - die beiden Interessenten sahen das auch nicht anders. Allerdings hatte der Makler kein neues, besseres Angebot unterbreitet (man sollte als Kunde Altverträge erstmal genauer anschauen, ehe man gute Bedingungen unwiderbringlich kündigt...) und nun waren die beiden auf der Suche nach einem "optimalen Beitrag".

Dann kam für mich "der Hammer": Sie suchten schon seit mehr als zwei Wochen - das soeben finanzierte Haus stand also ohne jeden Versicherungsschutz da. Und die beiden saßen seelenruhig vor mir und meinten "da passiert schon jetzt gerade nichts". Aber was, wenn? Dann wären eine schöne sechststellige Summe aufzubringen, ohne einen Gegenwert zu besitzen.

Ich persönlich könnte keine ruhige Nacht verbringen, bevor mein Haus nicht wieder vernünftig versichert wäre. Die beiden hingegen fahren wegen 50 Euro Beitragsdifferenz verschiedene Versicherungsagenturen ab und lassen sich dabei alle Zeit der Welt. Soviel zu unterschiedlichen Risikodenken...

Ein weiteres Beispiel zum Bedarf: Eine von vielen Kunden begehrter Absicherung ist eine Zahnersatz-/ergänzungsversicherung - ist so eine Versicherung sinnvoll? Finanziell kommt es drauf an, was an Behandlungen auf dich zukommt. Ist sie unbedingt notwendig? Selten. Zahnersatz ist nicht überlebenswichtig und eine Standard-Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung sieht zwar nicht hübsch aus, vernichtet aber nicht meine Lebensplanung.

Das ist allerdings meine persönliche Meinung - viele meiner Kunden sehen das anders. Besonders den Damen ist Zahngesundheit und -schönheit sehr wichtig und würde ihr Leben sehr wohl beeinträchtigen. Da es ihnen gleichzeitig leichter fällt, eine monatliche Prämie zu zahlen, anstatt später "dicke Rechnungen" finden sie die Zahnzusatzversicherung absolut notwendig.


Zweitens: Auch Dritte bestimmen sinnvolle und unsinnige Versicherungen mit

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt: Auch Dritte bestimmen mit, ob uns Versicherungen sinnvoll oder überflüssig erscheinen. Wenn unser Zahnarzt uns sagt, er sieht bei unseren Zähnen in mittelfristiger Zukunft einiges an Behandlungen auf uns zukommen (nicht als angeratene Behandlung, sondern als Einschätzung aus langjähriger Erfahrung), dann kann es ein, daß wir ganz plötzlich Zahnersatzversicherungen wichtig finden. :)

Bei dem Beispiel mit dem Pärchen und der Wohngebäudeversicherung sieht es ähnlich aus: Anscheinend hatte die finanzierende Bank noch nichts  davon mitbekommen, daß das bei ihnen finanzierte Objekt nicht mehr versichert ist.  Ansonsten wäre die Dringlichkeit für das junge Pärchen das Gebeäude zu versichern, schnell gestiegen. Denn wenn die Kündigung des Darlehens für die eigenen vier Wände droht, wird auch der risikofreudigste Mensch langsam vorsichtig...

Aber es gibt noch mehr Fälle, in denen andere bestimmen, ob wir einen "Bedarf" haben und welche Versicherungen für uns sinnvoll oder überflüssig sind - hier ein paar Beispiele:

Wenn in meinem Mietvertrag steht, daß ich eine Privathaftpflicht- Hausrat- oder Glasversicherung nachweisen muß, werden die drei für mich zur Pflichtversicherung, wenn ich die Wohnung haben will. Die Versicherungen machen also mehr als Sinn für mich.

Genauso klar auf der Hand liegt, daß ich für mein Auto eine Haftpflichtversicherung haben muß, weil ich es sonst ganr nicht an anmelden kann. Und wenn das Auto finanziert oder geleast ist, wird der Kredit- oder Leasinggeber mir auch eine Vollkaskoversicherung vorschreiben. Logisch.

Das hat allerdings auch Auswüchse, die ich in meiner Bankausbildungszeit erleben "durfte" - und die auch heute leider noch nicht der Vergangenheit angehören: Du willst ein Darlehen? Dann mußt du auch eine Lebensversicherung und die Gebäudeversicherung bei uns abschließen. Das ist zwar illegal, aber so manchen "Berater" interessiert das wenig...


Drittens: Die eigene Lebenssituation

Daß jemand, der kein Haus besitzt, keine Wohngebäudeversicherung braucht, ist klar. Aber meistens sind die Grenzen nicht so klar gezogen...

Bin ich Single oder lebe ich mit einem Partner zusammen, der von mir finanziell unabhängig ist, brauche ich keine Risikolebensversicherung, sagt der "Experte" unserer Regionalzeitung. 

Tatsächlich? Vielleicht habe ich ein Projekt, das mir am Herzen liegt, das ich gerne unterstützen möchte - auch über meinen Tod hinaus. Oder ich möchte meinem Partner nicht zumuten, daß er die Raten für das gemeinsame Haus alleine zahlen muß - auch wenn es theoretisch ginge (Vor allem, wenn die Absicherung für den Todesfall nur 5 Euro im Monat kostet...).

Ein schönes, wenn natürlich nicht alltägliches Beispiel dazu: Ein von mir sehr geschätzter Ex-Kollege und seine Frau haben mit ihrem nicht gerade üppigen Gehalt auf Kuba einen Kindergarten und eine Schule finanziert und unterhalten diese auch. Beide sind finanziell unabhängig, kinderlos, die Eigentumswohnung ist bezahlt. Die beiden finden eine Risikolebensversicherung sinnvoll - schließlich möchten sie ihr Werk erhalten.

Wenn du eine Mietwohnung mit Standard-Verglasung und einem Herd mit billigem Ceran-Kochfeld hast, ist dir eine Glasversicherung wahrscheinlich weniger wichtig. Wenn du aber umziehst und in deinen eigenen vier Wänden die neuste Kochfeld-Technik in der Küche und eine Menge gesandstrahlte Einsätze in den Wohnungstüren hast, magst du anders darüber denken.

Genauso sieht es aus, wenn du z. B. nie vom Sinn einer privaten Unfallversicherung überzeugt warst und plötzlich ein neues Hobby für dich entdeckst, das durchaus ein Unfallrisiko birgt - da kommt man schonmal ins Grübeln...


Viertens: Eine Frage des Angebots

Ich kann viel über sinnvolle und unsinnige Versicherungen schreiben - ist eine sinnvolle Versicherung unbezahlbar, werde ich sie nicht abschließen. Ist eine weniger nötige Absicherung für nur ein paar Euros zu bekommen, schließe ich sie vielleicht einfach ab, weil es ja "nicht die Welt kostet".

Die vielgeschmähte Glasversicherung zählt sicher nicht zu den existenziell wichtigen Versicherungen - aber sie wird oft im Zusammenhang mit Versicherungspaketen angeboten, die bei mehreren Bausteinen zusätzliche Rabatte auf die Gesamtprämie geben. So ist die Glasversicherung für wenig Geld "einfach mit drin". Und wird bei einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis wieder interessant.

Wenn ich mir in meinem Beruf keine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung leisten kann, weil diese zu teuer wäre, rückt eine umfassendere Unfall- oder "Schwere-Krankheiten"-Versicherung in den Blickwinkel und erscheint mir interessanter.

Ebenso verhält es sich, falls ich eine Absicherung aus gesundheitlichen Gründen nicht bekommen kann - auch die Versicherbarkeit eines Menschen oder Objekts spielt eine Rolle bei der Einschätzung des eigenen Bedarfs.


Fazit: Sinnvolle und unsinnige Versicherungen gibt es nicht.

Entscheidend ist dein persönlicher Bedarf: Wie sicherheitsorientiert bist du? Was ist dir wichtig? Wieviel Geld kannst du ausgeben? Wieviel möchtest du ausgeben? Welche Versicherungen kannst du überhaupt abschließen? Welche Versicherungen mußt du abschließen, weil andere sie dir vorschreiben?

Wenn die Frage lauten würde: "Welche Versicherungen muß ich haben?" Dann müßte die korrekte Antwort lauten: "Keine."(Damit lässt sich aber kein Zeitungsartikel füllen... ;) )

Alles andere ist von deinem persönlichen Bedarf abhängig. Und den kennt kein Zeilenschreiber aus der Presse und auch kein Schwätzer beim Stammtisch... Dafür ist gute, kundenorientierte Beratung im Versicherungs- und Finanzbereich da.

Viele Grüße,

Euer Mark

Gute Beratung gibt´s bei uns. Selbstverständlich auch Online.


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